Was ist AD(H)S?

Das Aufmerksamkeits-Defizit-(Hyper/Hypoaktivitäts-)Syndrom, kurz AD(H)S, ist eine der bekanntesten und häufigsten neurologischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Es wird davon ausgegangen, dass ca. 5% von ihnen darunter leiden, wobei Knaben häufiger davon betroffen sind als Mädchen. Lange wurde angenommen, dass sich AD(H)S mit der Zeit „auswächst“ – mittlerweile ist jedoch bekannt, dass sich die Symptome bis ins Erwachsenenalter manifestieren können.

AD(H)S zeichnet sich dadurch aus, dass Betroffene unaufmerksam, hyperaktiv und impulsiv sind, was häufig Probleme in der Schule, in der Familie oder in anderen Bereichen des sozialen Umfelds verursachen kann.

Das AD(H)S kann durch Fachärzte[1], Kinder- und Jugendpsychologen sowie speziell ausgebildete Kinderärzte diagnostiziert werden und wird mittels Verhaltenstherapie, Psychoedukation und bei Bedarf medikamentös behandelt sowie mit individueller Unterstützung ergänzt.

[1] Im Sinne einer einfacheren Lesbarkeit des Textes wird bei Personenbezeichnungen die männliche Form gewählt, es ist jedoch immer die weibliche Form mitgemeint.

Ursache

Bei AD(H)S handelt es sich um eine Störung der Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitung im Gehirn. Da beobachtet werden kann, dass diese Störung meist „familiär gehäuft“ vorkommt, wird vermutet, dass sie auf eine genetische Veranlagung zurückzuführen ist. Die Ausprägung von AD(H)S wird aber nicht nur durch erbliche Faktoren bestimmt, sondern auch durch Einflüsse während der Embryonalentwicklung und im Kindesalter. So werden in der AD(H)S-Forschung der Konsum von Genussmitteln während der Schwangerschaft oder eine Frühgeburt aber auch das elterliche Erziehungsverhalten sowie psychische und/oder soziale Belastung als Einflussfaktoren auf die Hirnentwicklung gehandelt. Es kann demnach gesagt werden, dass AD(H)S letztlich durch das Zusammenspiel zwischen genetischer Veranlagung und Umwelteinflüssen entsteht.

Neurobiologen konnten zeigen, dass nicht nur für die Gehirnentwicklung von Kindern sondern auch für diejenige von Erwachsenen vor allem drei Kernfunktionen eine zentrale Bedeutung haben. Diese sind Inhibition, Arbeitsgedächtnis (updating) und Flexibilität (shifting).
Während Inhibition dafür sorgt, dass unwichtige Informationen und Gedanken ausgeblendet sowie unüberlegte Entscheidungen und impulsives Verhalten unterdrückt werden, sorgt das Arbeitsgedächtnis für das kurzzeitige Behalten, Neuordnen, Sortieren und Umstellen von Informationen im Gedächtnis. Flexibilität führt darüber hinaus zu einem effizienten Wechseln zwischen mehreren Aufgaben und beinhaltet die Fähigkeit, unterschiedliche Optionen, Gesichtspunkte oder Regeln zu vergleichen und gegeneinander abzuwägen.

Bei von AD(H)S betroffenen führen genetische Normabweichungen zu einer Verzögerung in der Entwicklung derjenigen Regionen des Gehirns, die eine ausschlaggebende Funktion in der Kontrolle des Verhaltens spielen. So ist beispielsweise das Stirnhirn, das Impulse kontrolliert, unteraktiviert. In Kombination mit der Überaktivierung der Hirnregion, die für Emotionen zuständig ist, sorgt dies für hohe Impulsivität. Es hat sich gezeigt, dass, obwohl die Verzögerung in der Entwicklung des Stirnhirns manchmal bis zu fünf Jahre beträgt, sie sich zum Teil bis ins Erwachsenenalter wieder normalisiert. Diese vererbbare verzögerte Gehirnentwicklung wird mitunter auch als „Störung der Exekutivfunktionen“ bezeichnet, da Handlungsentscheidungen letztlich über Gehirnareale laufen, die ein Verhalten verhindern oder fördern – die Exekutive des Gehirns.

Nebst bestimmten Hirnarealen ist offenbar auch die Funktion in gewissen Bereichen der Neurotransmittersysteme von Noradrenalin, Dopamin und teilweise Serotonin von AD(H)S betroffen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine genetisch veranlagte Gehirnreifungsverzögerung zu einer Reizüberflutung der von AD(H)S betroffenen Person führt, welche schliesslich in normabweichenden Verhaltensmustern bzw. Verhaltensauffälligkeiten münden.

Symptome

Die Hauptsymptome von AD(H)S sind Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität, wobei nicht alle Symptome bei allen Betroffenen vorkommen. Sind Hyperaktivität und Impulsivität vorhanden, spricht man von ADHS, ansonsten von ADS. 

Unter Unaufmerksamkeit werden folgende Aspekte zusammengefasst: Das hohe Potential abgelenkt zu werden, Probleme bei der Organisation und Planung sowie die Schwierigkeiten, während Aufgaben konzentriert und angestrengt zu bleiben, die keinen grossen Anreiz offerieren (beispielsweise keine Belohnungen bieten).

Hyperaktivität wird am besten sichtbar, wenn das Verhalten in strukturierten Situationen beobachtet wird, die Selbstkontrolle erfordern. Von AD(H)S Betroffene haben dann  Schwierigkeiten mit dem Stillhalten und zeigen übermässige motorische Aktivität. 

Mit Impulsivität ist schliesslich die Tendenz gemeint, auf unmittelbare Anreize ohne nachzudenken oder die Risiken und Konsequenzen zu berücksichtigen zu reagieren.

Die Zusammensetzung der unaufmerksamen und hyperaktiv-impulsiven Ausprägungen kann sich zwischen von AD(H)S betroffenen Personen unterscheiden und während des Entwicklungsverlaufs verändern.

Abklärung (Diagnose)

AD(H)S ist keine Krankheit, sondern eine neurologische Entwicklungsstörung mit genetischer Komponente. Von der Invalidenversicherung (IV) wird es daher in der Verordnung über die Geburtsgebrechen aufgeführt (GgV 404). 

Während früher gedacht wurde, dass nur Kinder von AD(H)S leiden, ist heute bewiesen, dass alle Lebensphasen betroffen sein und auch Erwachsene darunter leiden können. 

Voraussetzung für die Diagnose AD(H)S ist, dass Betroffene während mindestens sechs Monaten Episoden von Unaufmerksamkeit und/oder Hyperaktivität-Impulsivität haben, welche sich unmittelbar und in ungünstiger Weise auf das soziale, akademische oder berufliche Funktionieren auswirken.

Typischerweise entwickeln sich Symptome des AD(H)S vor dem zwölften Lebensjahr, manche Betroffene werden aber auch erst später klinisch auffällig. Von einem AD(H)S kann erst gesprochen werden, wenn die Symptome in unterschiedlichen Situationen bzw. Umgebungen zum Vorschein kommen, wobei sich das Ausmass jeweils unterschiedlich gestalten kann.

AD(H)S kann durch Fachärzte, Kinder- und Jugendpsychologen sowie speziell ausgebildete Kinderärzte diagnostiziert werden.